Mathias Engel ist Referent für Ausbildung und Studium bei NORDMETALL, dem Verband der Metall- und Elektroindustrie e.V., im Interview gibt er wertvolle Tipps für den Einstieg ins Arbeitsleben. Wir bedanken uns herzlich für die Antworten und wünschen viel Spaß beim Lesen.
Man liest es derzeit überall: ist die Generation Z faul?
Das ist eine sehr harte Behauptung – vor allem für eine ganze Generation – und ich kann und möchte es mir nicht vorstellen. Die Generation Z wird aktuell viel beschrien, hat meiner Meinung nach aber keineswegs diesen Stempel verdient. Es gibt eine Menge von Themen und Belangen, mit denen sich diese jungen Menschen beschäftigen, für die sie sich einsetzen und versuchen Tag für Tag voran zu treiben. Nachdem die vorherigen Generationen in Deutschland relativ beschaulich aufwachsen konnten, sind die Jugendlichen aktuell mit vielen verschiedenen sozialen, ethischen und auch politischen Missständen konfrontiert, die es vorher entweder nicht gab oder die nicht so extrem wahrgenommen wurden. Ich nehme daher eher an, dass es eine andere Priorisierung gibt und dass diese Priorisierung sich auf deren Lebenswandel auswirkt. Dadurch haben sie andere Fähigkeiten und Kenntnisse, die den vorhergehenden Jahrgängen… vielleicht nicht fehlen, aber die nicht die gleiche Sichtweise darauf haben, weil sie selbst ganz anders aufgewachsen sind. Die Jugendlichen beschäftigen sich mit dem, was die älteren Generationen ihnen vermachen. So war es davor und so wird es vermutlich auch für die folgenden Jahrgänge sein.
Plattformen wie LinkedIn geben Berufseinsteigenden die Chance schon im Studium oder in der Ausbildung wahrgenommen zu werden und sich so gegen Mitstreitende durchzusetzen. Halten Sie solches Selbstmarketing in dieser frühen Karrierephase für angemessen oder haben Sie vielleicht ganz andere Anregungen für junge Menschen?
Ich halte Plattformen wie LinkedIn für eine gute Möglichkeit sich im beruflichen Kontext zu vernetzen und wichtige Informationen auszutauschen. Zum Selbstmarketing würde ich es in dieser frühen Phase nicht nutzen wollen. Natürlich kann man das, keine Frage, aber gerade während der Ausbildung oder dem Studium sollten sich die jungen Leute eher auf die relevanten Inhalte konzentrieren. Haben sie die Möglichkeit an (eigenen) Projekten teilzunehmen oder zusammen mit Lehr- oder Ausbildungspersonal besondere Aufträge zu bearbeiten, sind dies viel bessere Möglichkeiten sich später für Arbeitgeber interessant zu machen. Das zeigt Interesse und Einsatz und man hebt sich von denen ab, die nur nach striktem Lehrplan arbeiten. Ich rate gerade Studierenden sich intensiver mit der Praxis auseinander zu setzen und z. B. Unternehmen zu suchen, die studentische Mitarbeiter suchen. So kann man viel direkter mit interessanten Personen in Kontakt kommen und sich möglicherweise gleich ein Unternehmen für eine Abschlussarbeit sichern. Auch in der Ausbildung gibt es häufig die Möglichkeit eigene Interessen zu verfolgen – das Ausbildungspersonal freut sich mit Sicherheit über eine solche Initiative und lässt euch sogar gerne freie Hand. Das fördert definitiv auch die Aussichten auf eine Karriere.
Neben den Eltern ist auch Social Media maßgeblicher Einfluss für die Jobwünsche der Generation Z. Viele Vorbilder erzeugen dabei einen schönen Schein, verzerren aber das Bild von Arbeit. Wie können wir hier gegenhalten?
Man darf nie vergessen, dass Beiträge bei Social Media zu 90% dazu gedacht sind, den Usern ein bestimmtes Bild zu vermitteln – sei es positiv oder negativ. Daher ist das, was gezeigt wird auch immer nur ein Ausschnitt einer konstruierten Realität. Zudem sind sie häufig hemmungslos bearbeitet und mit Filtern “aufgehübscht”. Davon darf man sich nicht täuschen lassen. Die beste Art, herauszufinden ob (technische) Berufe zu einem selbst passen, sind Praktika oder zumindest Schnuppertage in einem entsprechenden Betrieb. Auch einfache Unternehmensführungen können schon helfen. Viele Unternehmen bieten so etwas an. Das unterstützen Arbeitgeber auch stark. Mein Tipp ist es, so viele Berufe wie möglich kennenzulernen und sich nicht darauf zu verlassen, was andere erzählen. Die haben meist ganz andere Interessen oder Absichten als man selbst. Macht eure eigenen Erfahrungen. Vielleicht überrascht ihr euch selbst und findet etwas, was ihr vorher gar nicht für möglich gehalten habt.
Wie können wir junge Menschen für gewerblich-technische Berufe begeistern?
Die Industrie ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Deutschland – und das nicht nur aus finanzieller Sicht. Um unseren jetzigen Lebensstandard aufrecht zu erhalten und Technologien zu entwickeln, die das Leben der Menschen – hier und auf der ganzen Welt – besser machen, benötigen wir die Industrie. Es werden zukunftsweisende Verfahren und Maschinen gebraucht, die bisherige Probleme beseitigen sollen. Und dafür werden kreative und engagierte junge Leute gesucht, die sich mit Technik auseinandersetzen. Leute, die sich dafür einsetzen, die Welt jeden Tag ein kleines Stückchen besser zu machen. Die mit innovativen Konzepten neue Entwicklungen vorantreiben oder gut funktionierende Technologien am Laufen halten. Die Abkehr von fossilen Brennstoffen z.B. ist momentan ein sehr wichtiges Thema in der Industrie – ein Thema, das im Rahmen der Zukunftsangst auch eine Menge junge Menschen beschäftigt.
Allgemein gibt es viele Überschneidungen von Interessen, an die viele vielleicht gar nicht denken. Ich kann nur den Tipp geben: schaut euch um! Redet mit den Menschen, die in diesen Berufen arbeiten. Viele sind gerne bereit euch Auskunft zu geben. Es ist eure Zukunft um die es geht. Die kann niemand anders bestimmen, als ihr selbst. Vor allem, wenn ihr aktiv dafür sorgen wollt, dass die Welt ein Stückchen besser wird.
Was sind für Sie entscheidende Fähigkeiten, die ein junger Mensch zum Bestehen auf dem Arbeitsmarkt benötigt und warum?
Engagement und gute Manieren. Die meisten Arbeitgeber wollen sehen, dass junge Menschen für ihre Arbeit brennen, dass sie wirklich Bock darauf haben und gerne mitarbeiten. Sie wollen das Funkeln in den Augen sehen, wenn sie über ein Projekt reden an dem sie gerade arbeiten oder den Stolz, der damit einhergeht, wenn man mit seiner Leistung zufrieden ist. Dieses Engagement kommt aber nur, wenn man wirklich Spaß an seinem Job hat und das passiert erst, wenn man auch wirklich weiß, was man machen möchte. Daher auch wieder an dieser Stelle: informiert euch so gut ihr könnt!
Und gute Manieren sind mindestens genauso wichtig. Vielleicht klingt das etwas altbacken, aber die meisten werden nicht nur mit Menschen zusammenarbeiten, die aus der gleichen Generation, Gegend oder “Milieu” kommen. Arbeits- und auch Lernorte sind bunt gemischt, mit allen möglichen Menschen. Das meiste Ausbildungspersonal oder auch die Chefetage wird um einiges älter sein. Kollegen kommen nicht nur aus anderen Städten, sondern teilweise auch aus anderen Ländern. Alle sind unterschiedlich aufgewachsen – sei es in einer anderen Zeit oder einem anderen Land. Auch andere Lebensentwürfe gehören zum Alltag. Aber mit allen müsst ihr auskommen und zusammenarbeiten. Es ist daher nicht schlecht, sich an die grundlegenden Höflichkeitsformen zu halten. Das hat auch viel mit Respekt und Zugehörigkeit zu tun. Kommt pünktlich zum Gespräch – euer Gegenüber hat sich Zeit für euch genommen. Kommt vorbereitet in das Meeting – damit alle gleichzeitig starten können und nicht noch warten müssen, bis ihr auf dem aktuellen Stand seid. Grüßt die Leute, zeigt, dass ihr sie wahrnehmt und ein Teil der Gemeinschaft seid – und bitte nicht nur die Geschäftsführung, sondern auch die Reinigungskraft, damit sich alle auf Arbeit wohl fühlen.
Haben Sie einen Tipp für Studierende, die an ihrem Studium zweifeln?
Tief durchatmen! Es ist nur halb so schlimm wie ihr glaubt. Natürlich wäre es schön gewesen, wenn ihr mit diesem Studiengang euer Ding gefunden hättet, aber nicht immer klappt das. Mal hat man sich etwas anderes vorgestellt, mal hat man sich überschätzt. Ein anderes Mal findet man plötzlich etwas, das viel besser zu einem passen könnte. Das ist alles kein Drama. Wichtig ist nur, dass ihr euch darüber im Klaren seid, wie es weitergehen soll. Ob ihr weitermacht oder abbrecht ist trotz allem eine wichtige Entscheidung. Scheut euch jedoch nicht Hilfe anzunehmen. Es gibt viele Beratungseinrichtungen, die genau wissen, wie ihr jetzt weitermachen könnt. Glaubt nicht, dass ihr alles alleine machen müsst. Es gab bereits andere vor euch, die die gleichen Probleme hatten. Profitiert von deren Erfahrungen.
Schließlich gibt es ihn nicht, den “einen wahren Weg”. Aber es gibt euren Weg. Und seid ehrlich. Wenn ihr euch nach einem Studienabbruch auf eine Ausbildung bewerben solltet, oder nach einem Studienwechsel auf die erste Stelle, sagt ruhig warum das mit dem Studium damals nichts geworden ist und erklärt den Wechsel in die neue Richtung. Auch Personaler interessiert euer Weg und wieso er euch zu ihnen geführt hat.