„Klar hat mein Beruf viel mit Digitalisierung zu tun. Darüber läuft alles von der Bestellung bis zur Beschilderung”, sagt Laura Strüb. „Aber wir sitzen trotzdem nicht den ganzen Tag am Computer.”
Laura Strüb ist immer in Bewegung. Federnden Schrittes läuft sie an der Obst- und Gemüseauslage entlang, prüft kritisch, ob ihre Waren ordentlich aussehen und die Kundschaft zum Einkaufen animieren, ob verdorbene Bananen oder Orangen aussortiert werden müssen und ob die Spiegelwand blitzblank und streifenfrei strahlt. Doch hinter der Sauberkeit und Gründlichkeit steht noch mehr: Wie platziert man die Produkte kundenorientiert? Welche Produkte werden oft in Kombination gekauft und sollten deswegen in der Nähe platziert werden? Welche Produkte werden in welcher Saison besonders nachgefragt?
Neue Aufgaben und Verantwortung
Laura Strüb hat ein MDE-Gerät (mobile Datenerfassung) zur Hand und scannt diverse Strichcodes auf dem Lieferschein. Dahinter verbergen sich Produkte aus dem Bereich Obst und Gemüse, für den die 26-Jährige Auszubildende in diesem REWE-Markt zuständig ist. Warenbestellung, Retouren, Aktionsware oder auch die Abschreibung verdorbener Lebensmittel erfolgt über das Gerät, nicht größer als ein Smartphone. Laura Strüb beherrscht die Technik und die Funktionen. „Für mich kein Thema”, sagt sie selbstbewusst über das Herzstück der Warenerfassung und Warenbewegung und steckt es lässig in die Gesäßtasche, sortiert Möhren, platziert Ananas, prüft die Salattheke. Der REWE-Markt ist ihr Zuhause, Laura Strüb kennt sich aus, fühlt sich wohl und ist vor allem stolz über die Aufgaben und Verantwortung, die sie jetzt schon hat.
„Auf jeden Fall studieren”
Als Laura Strüb 2011 ihr Abitur macht, hat sie ganz andere Pläne. „Ich wollte auf jeden Fall studieren, auch wenn ich nicht wirklich wusste, wohin es mich führt.” Sie schreibt sich an der Universität Potsdam in Soziologie und Linguistik ein und legt los. Das Hauptfach ist interessant, die Linguistik weniger. Die tauscht sie nach dem 3. Semester gegen Wirtschaftsrecht. Der Wechsel ist hart, die Lehrenden sind es auch, Wechsel-Bonus gibt es nicht. Zwar verhaut die junge Frau keine Prüfung, aber fragt sich selbstkritisch, was sie mit all dem theoretischen Wissen anfangen soll. „Mir fehlte der Bezug, das Grundgerüst und ich dachte: Irgendwann habe ich zwar einen Abschluss, aber weiß nichts damit anzufangen.” Sie jobbt bereits als studentische Aushilfe in einem Supermarkt, um sich den Lebensunterhalt zu finanzieren.
„Meine Chefin hat mich schon damals sehr gefordert. Bereits als Aushilfe durfte ich erste verantwortungsvolle Aufgaben übernehmen.”
Es machte Spaß, fühlte sich für Laura Strüb richtig an. Selbst wenn der Wecker schon kurz nach vier klingelt, damit sie pünktlich 6 Uhr den Dienst antreten und mit den Kollegen die Marktöffnung vorbereiten kann. In dieser Zeit wird schon der Weg zur Uni eine Tortur.
„Irgendwann bin ich gar nicht mehr hingegangen.”
Und trifft Anfang 2017 nach mehr als fünf Jahren Studium eine einsame, aber klare Entscheidung: Sie lässt sich exmatrikulieren. „Ich hatte immer das Gefühl, dass ich Zeit vergeude.” Allerdings fällt sie nicht in ein Loch, sondern bekommt eine Festanstellung für 25 Stunden pro Woche bei REWE. „Dass ich eine Ausbildung machen wollte, war klar, aber ich hatte dafür noch keine Zusage.” Sie nimmt sich Zeit, will den Markt und ihre Aufgaben im Handel besser kennenlernen. Inzwischen gehört sie zu den etwa 35 Berliner Auszubildenden des Abiturientenprogramms, das REWE für jene entworfen hat, die aufgrund ihrer guten Vorleistungen im Abitur eine verkürzte Ausbildung antreten können. Sie belegt Blockseminare, lernt Warenkunde und Produktgruppen, Arbeitsrecht und Warenkreisläufe, schreibt nach getaner Arbeit Hausarbeiten und lädt sie über ihr von REWE für die Ausbildung zur Verfügung gestelltes Tablet auf die REWE Lernwelt. Das alles sind Grundlagen für die Kundenbetreuung und -beratung im Markt. Das Tablet kann sie bei erfolgreich bestandener Abschlussprüfung behalten. „Für Leute mit einem guten Abitur ist es eine kürzere Ausbildung als gewöhnlich, aber genauso mit IHK-Prüfung.”
Dann hat sie bereits nach eineinhalb Jahren den ersten Schritt gemeistert und hat mit einer mit gut bestandenen Abschlussprüfung eine Übernahmegarantie in Vollzeit. Das sind gute Voraussetzungen für eine Assistentenstelle im Markt, die Laura Strüb nach der Ausbildung anvisiert. Und mit einer guten Abschlussnote stehen ihr bei REWE viele interessante Karrieremöglichkeiten offen. So kann sie direkt im Anschluss die Ausbildung zum Handelsfachwirt anschließen. Außerdem gibt es das REWE interne Führungskräfteentwicklungsprogramm, über das sie sich zur Marktmanagerin weiterentwickeln kann. Noch ist das Zukunftsmusik, aber Laura Strüb schaut auch nach vorn. „Ich habe begriffen, dass sich mir viele Möglichkeiten bieten, die ich trotz eines Studiums vielleicht gar nicht hätte.
„Dass es vielen ihrer Kommilitoninnen und Kommilitonen genauso ergangen ist, weiß sie. Einige haben das Studium zwar mit einem akademischen Abschluss beendet, aber danach dennoch eine Ausbildung angehängt. „Es ist wirklich keine Schande, nach dem Abitur über eine Ausbildung nachzudenken”, sagt sie rückblickend. Mit 18 Jahren eine Entscheidung fürs Leben zu treffen, findet sie sowieso schwierig.
Laura Strüb hat inzwischen einen neuen Aufgabenbereich bekommen, die Mopro, die Molkereiprodukte. Ziel ist es während der Ausbildung möglichst viele Erfahrungen zu machen und Wissen zu erlangen, das den kompletten Markt umfasst. Aktionsware muss bestellt, die Mindesthaltbarkeit von Produkten überprüft, Ware angenommen werden. Und ganz nebenbei erinnert sie sich schmunzelnd an ihren allerersten Arbeitstag als Aushilfe, als sie an der Kasse saß und Angst hatte, zu langsam zu sein oder Produkte falsch zu bonnieren. „Mein erster Kunde hatte lauter Sonderprodukte und Aktionsware.” Das Eintippen war schon eine Herausforderung: viele Nummern für Obst und Gemüse. Das Rückgeld hat sie zweimal geprüft, damit sie am Ende keine Kassendifferenz hat. „Ich hätte mir damals nie vorstellen können, für immer im Einzelhandel zu arbeiten.” Inzwischen hat sie jedoch gemerkt, dass das alles eine Frage der Übung ist und nun träumt sie mit ihren knapp 27 Jahren von einer eigenen Marktleitung irgendwann. Ihre derzeitige Marktleiterin ist überzeugt, dass Laura Strüb das Zeug dazu hat.
Fotos: Anna Weise
Text: Ina Krauß
Dieser Erfahrungsbericht ist im Rahmen des Projekts „Queraufstieg Berlin“ entstanden. Das Projekt wurde von 2016 bis 2020 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung als „Leuchtturmprojekte Studienabbruch“ im Rahmen der Bund-Länder-Vereinbarung zur Initiative „Bildungsketten“ gefördert.